Reflex- und Deflex-Designs verstehen

Im Bogensport gibt es eine Vielzahl an Bogenarten, die sich in ihrer Bauweise und ihrem Aussehen unterscheiden. Bei den zahlreichen Varianten haben die Begriffe reflexes und deflexes Bogendesign spezifische Auswirkungen auf die Wurfleistung, die Fehlerverzeihung und den Schießkomfort. Die verschiedenen Ausformungen von Deflex und Reflex haben sich über die Jahrtausende hinweg entwickelt und tun es weiterhin. In historischer Vergangenheit war es das Ziel schwere Pfeile mit hoher Durchschlagskraft möglichst weit zu schießen, heute stehen Pfeilgeschwindigkeit, Akkuratesse und Schießkomfort im Vordergrund der innovativen Bemühungen.
Zuerst sollte einmal geklärt werden, was die Begriffe eigentlich genau bedeuten. Der Begriff „reflex„ beschreibt dabei die vom Schützen wegzeigende Biegung des Wurfarms, während „deflex„ eine zum Schützen hin gebogene Krümmung des Bogens bezeichnet. Diese Designmerkmale beeinflussen nicht nur das Aussehen des Bogens, sondern haben auch Auswirkungen auf seine Leistung.
Reine Reflex- oder reine Deflexbögen sind im modernen Bogenbau fast nicht zu finden. Historische Bögen asiatischer Herkunft hingegen sind oft ausschließlich in Reflexbauweise konstruiert. Im abgespannten Zustand sind diese Bögen dann wie ein Halb- oder sogar Vollkreis gebogen. Im Extremfall kreuzen sich die Wurfarmenden im abgespannten Zustand. Beispiele wären der koreanische (Bild rechts) oder osmanische Kompositbogen.
Feststellen der Bauweise
Man betrachtet den Bogen im abgespannten Zustand (Bild unten). Der Deflex wird durch den Abstand vom vorderen Ende des Griffs (A) bis zum tiefsten Punkt im Wurfarm (B) gemessen. Den Wert des Reflexes sieht man am Abstand vom tiefsten Punkt im Wurfarm (B) bis zur Sehnenkerbe (C).
Prinzipiell kann gesagt werden: Je größer der Reflex ist, desto mehr Vorspannung hat der Bogen und desto mehr Energie wird gespeichert. Logischerweise haben auch die verwendeten Materialien einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit.
Gerade Bögen
Der scheinbar einfachste Bogen ist ein gerader Langbogen oder Selfbow. Solche Bögen speichern im Vergleich zu Reflex- und Deflex-Reflexbögen weniger Energie. Sie sind aber grundsätzlich umso effizienter, je länger sie sind. Die Abstimmung der Biegezonen ist aber keineswegs simpel, sondern entscheidend für Effizienz und Schießkomfort. Der über den gesamten Wurfarm gleichmäßig biegende gerade Bogen ist eher langsam und hat mehr Handschock. Gute gerade Bögen haben Zonen mit weniger Biegung, Hauptbiegung und nicht biegsame Hebelbereiche. Trotz der geringeren Pfeilgeschwindigkeit erfreuen sie sich gerade im Selfbogensegment wegen ihrer schlichten Genauigkeit großer Beliebtheit. Sie sind zudem auch leichter herzustellen.
Verschiedene Bogendesigns
Reflexbögen
Reflexe Bögen sind für ihre gesteigerte Effizienz und bessere Wurfleistung bekannt. Durch ihre nach vorne (vom Schützen angewandte) gebogene Form der Wurfarme speichern sie beim Auszug eine größere Menge an potentieller Energie, die dann beim Lösen freigesetzt wird. Je mehr Vorspannung der Bogen bereits auf Aufspannhöhe hat, umso mehr Energie wird bis zum Vollauszug gespeichert. Dies führt zu höherer Pfeilgeschwindigkeit bzw. der Fähigkeit einen schwereren Pfeil besser zu beschleunigen. Resultat ist je nach Pfeilgewicht eine höhere Auftreffenergie oder eine flachere Flugbahn. Letzteres kann den Streukreis der Pfeile im Ziel insbesondere in größerer Entfernung positiv beeinflussen.
Moderne Recurve Bögen sind schon per Definition Reflexbögen. Je länger die Sehne am Wurfarm aufliegt, umso kürzer ist der Bogen bei Aufspannhöhe und umso mehr verlängert er sich während des Auszuges, sobald sich die Sehne vom Wurfarm abhebt. Das führt zu Beginn des Auszuges zu mehr Widerstand und Energiespeicherung und sorgt für einen angenehmen Zuggewichtsverlauf, sobald sich die Sehne vom Curve abhebt. Für Schützen mit kurzem Auszug sollte die Vorspannung möglichst hoch sein. So kann auch bei kurzem Auszug mit leichten Pfeilen eine sehr ansprechende Pfeilgeschwindigkeit erreicht werden.
Deflexbögen
Reine deflexe Bögen waren nie eine besondere Innovation. So haben aber dort ihre Berechtigung, wo trotz geringer Zug- und Druckfestigkeit des Bogenmaterials ein Bogen gebaut werden soll, oder wo ein besonders langer Auszug erreicht werden soll. Auch für das genaue Schießen auf kurze Distanzen sind sie eine gute Wahl. Auf Aufspannhöhe sind die Wurfarme vergleichsweise gering belastet. Dadurch kann der Bogen weiter gezogen werden, bis es zur gleichen Belastung der Wurfarme kommt. Reine Deflexbögen sind wegen ihrer geringeren Restenergie meistens sehr angenehm zu schießen. Der geringe Widerstand am Beginn des Auszuges mindert die Energiespeicherung, bei langem Auszug kann das aber kompensiert werden.
Reflex-Deflex-Bögen
Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Techniken und Materialien entwickelt, um ein reflex-deflexes Bogendesign zu optimieren. Von traditionellen Holzbögen und Hornkompositbögen bis hin zu modernen Verbundmaterialien sind die Möglichkeiten vielfältig. Während moderne Reflex-Deflexbögen die Ausprägung des Deflex über die starre Formgebung des Griffabschnittes definieren und in Summe wenig Bewegung im Deflexbereich (innere Wurfarmhälfte) aufweisen, gibt es bei den historischen Bögen Beispiele, die einen aktiven Deflexabschnitt haben, der mit dem reflexen äußeren Wurfarmabschnitt harmonisch zusammenarbeitet. Beispiele dafür sind der Skythenbogen und der ägyptische Angularbogen mit Recurve. Beide wurden in Hornkompostbauweise hergestellt.
Deflex-Reflex-Bögen können die Vorteile der vorher beschriebenen Varianten zusammenführen. Zum einen werden die Wurfarme im aufgespannten Zustand weniger belastet. Der innere Teil des Wurfarmes kann mehr Masse haben und dadurch bei wenig Eigenbewegung viel zur Energiespeicherung beitragen. Die Biegung und Wurfarmbewegung findet hauptsächlich außen statt, wo die Eigenmasse gering gehalten werden kann. Somit wird im Vergleich zum geraden Recurvebogen weniger Eigenmasse bewegt. Bei einem sehr ausgeprägten Recurve ist der Bogen aufgespannt deutlich verkürzt und streckt sich im Auszug. Dabei trägt im Idealfall auch der Recurveabschnitt dynamisch zur Energiespeicherung bei. Weil weniger Masse bewegt wird, haben solche Bögen auch weniger Handschock.
Was ist der richtige Bogen?
Schaut man sich die Angebote von modernen Langbogen über Hybridbögen bis zu den Recurvebögen an, kann man feststellen, dass fast jeder Hersteller bei Langbogen und Recurves auf eine reflex-deflexe Bauweise setzt. Das Verhältnis von Reflex und Deflex ist dabei recht unterschiedlich. Der Aufwand in der Herstellung steigt, wenn ausgeprägte Recurves dynamisch, verwindungsstabil (torsionsfest) und dennoch von geringer Masse sein sollen. Schnelligkeit und Genauigkeit stehen sich im Bogenbau leider etwas im Wege. Extrem auf Schnelligkeit getunt nimmt immer Abstriche in Torsionsfestigkeit und damit Fehlervergebung in Kauf. Die richtige Wahl trifft der Schütze, wenn er für sich definiert, wofür er den Bogen verwenden möchte.
Mehr Reflex verspricht von vornherein höhere Geschwindigkeit, während mehr Deflex im Abschuss ruhiger ist. Anfänger sind daher gut beraten, einen Bogen mit weniger Reflex zu wählen.
Betrachtet man Mittelteile moderner 3-teiliger Recurvebögen, kann man feststellen, dass Tophersteller wie Win & Win oder Hoyt hauptsächlich Modelle mit ausgeprägtem Deflex im Programm haben. Das verursacht weniger Handschock und der Bogen ist, sofern er mit torsionsfesten Wurfarmen bestückt ist, auch fehlerverzeihender.
Beim modernen Langbogen sind der Formgebung durch das Reglement gewisse Grenzen gesetzt, um z.B. den Vorgaben der IFAA (International Field Archery Association) zu entsprechen. Wer nur nach WA-Reglement (Word Archery) schießen möchte oder keine Turniere bestreitet, kann die zusätzliche Wurfleistung eines Hybridlangbogens nutzen.
Beim historischen Bogen ist die Palette der Designs noch umfassender. Auch im Selfbogenbereich setzen viele Schützen auf die Vorzüge von Bögen im deflex-reflex Design oder begeistern sich für die Vorzüge von reflexen Hornkompositbögen. Dennoch ist auch die schlichte Verlässlichkeit gerader Bögen wie zum Beispiel des Englischen Langbogens noch immer sehr gefragt.
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