Wie kann man Targetpanich loswerden?

Was ist Targetpanic?

In den letzten Jahren hat Jay Kidwell, ein Psychologieprofessor aus den USA, buchstäblich mit Hunderten von Schützen aus der ganzen Welt gearbeitet, die unter Symptomen von Targetpanic leiden. Einige von ihnen sind Freizeitschützen, andere nationale oder olympische Wettkämpfer. Das Verständnis von Targetpanic entwickelt sich ständig weiter, und neue Informationen werden verfügbar.

Vorzeitiges Lösen ist wohl eines der Hauptprobleme, die Schützen in Bezug auf Targetpanic haben können. Das tritt auf, wenn man den Pfeil unfreiwillig löst, bevor der Ankerpunkt erreicht ist oder gezielt werden kann. Schützen, die unter diesem Symptom leiden, schaffen es nicht, den Anker zu halten, während man ins Ziel geht. Irgendwann in diesem Prozess ist der Pfeil weg. Der Kontrollverlust ist für die meisten dann sehr frustrierend.
Kidwell hat sich über viele Jahre mit der Problematik beschäftigt. Dabei hat er auch wissenschaftliche Studien genau unter die Lupe genommen. Wie kommt es nun zu Targetpanic?
Für viele Handlungen und Bewegungen gibt es einen auslösenden Reiz und eine Reaktion darauf. Wer beispielweise beim Autofahren plötzlich einen Fußgänger auf der Fahrbahn sieht (auslösender Reiz), wird automatisch auf die Bremse treten (Reaktion). Das Bremsen haben wir uns aber im Lauf der Zeit angewöhnt. Bei der ersten Fahrstunde war das noch nicht so. Da musste man noch nachdenken, welches Pedal ist es nun.

Normalerweise schaut der Prozess beim Schießen folgendermaßen aus. Dieser Vorgang ist bei guten Schützen meist automatisiert und läuft unterbewusst ab.
1) Ausziehen
2) Ankern
3) Lösen
Beim vorzeitigen Lösen ändert sich aber einiges. Hier wird der Punkt 2 übersprungen.
1) Ausziehen
3) Lösen

Dabei gibt es vor Punkt 2 Ankern einen auslösenden Reiz. Das kann beispielsweise sein, wenn der Pfeil in einer bestimmten Position zum Ziel (auslösender Reiz) ist. Die Folge ist dann das frühzeitige Lösen (Reaktion). Man überspringt dabei den Punkt 2 Ausziehen und geht direkt zu Punkt 3 Lösen. Mit zunehmender Dauer findet ein Lernprozess statt, der diesen Vorgang im Unterbewusstsein festigt. Und das ist dann eben Targetpanic.

Wann tritt Targetpanic auf?
Während viele Schützen Targetpanic unter allen Bedingungen zeigen, tritt sie bei anderen nur auf, wenn bestimmte Bedingungen oder Reize vorliegen. Zum Beispiel entwickelt eine Person Targetpanic nur unter Wettkampfbedingungen oder bei speziellen Zielen. Man bezeichnet diese speziellen Reize als Trigger, da sie eine Reaktion auslösen. Dabei zeigen sich einige interessante Tendenzen.
System- und Gap-Schützen neigen eher zu unvollständigem Anker, während instinktive Schützen eher zu vorzeitigem Lösen tendieren. Je präziser jemand in der jeweiligen Zielmethode wird, desto anfälliger wird er für die Entwicklung von Targetpanic. Hobbyschützen haben damit wesentlich weniger Probleme als Wettkampfschützen.

Falsche Annahmen über die Ursachen
Es gibt viele Informationen in Büchern, Videos und im Internet, aber viele davon sind falsch. Die Autoren versuchen dabei, Ursachen zu nennen, die es nicht gibt.

Angst vor Versagen oder mangelndes Selbstvertrauen
Es gibt überhaupt keinen Zusammenhang zwischen diesen Ängsten und der Entwicklung von Targetpanic. Natürlich ist einer der Nebeneffekte von Targetpanic, dass das Selbstvertrauen erschüttert wird, aber das geschieht erst, nachdem man das Problem entwickelt hat – nicht vorher. Das ergaben Versuche mit Hypnose, die keine Reduzierung der Targetpanic bewirkten.
Schlechte Technik
Ein unvollständiger Anker oder vorzeitiges Lösen ist keine gute Technik. Diese Erklärung impliziert, dass hauptsächlich eine schlechte Schusstechnik das Problem verursacht hat. Tatsächlich trifft Targetpanic oft erfahrene Schützen mit sehr guter Schusstechnik. Schützen mit schlechter oder unsteter Schusstechnik scheinen nahezu immun gegen dieses Problem zu sein. Gewöhnlich beginnen sich die Symptome zu zeigen, wenn jemand ernsthaft bemüht ist, seine Leistung und Schusstechnik zu verbessern.
Mangelnde Konzentration
Auch hier ist es ähnlich. Sobald jemand Konstanz entwickelt und sich darauf konzentriert, eine gute Schusstechnik zu entwickeln, wird er scheinbar anfälliger für Targetpanic.
Zu hohes Zuggewicht
Wenn ein zu starker Bogen geschossen wird, tendiert man zu den beschriebenen Symptomen – besonders, wenn man müde wird. Ein zu starker Bogen kann zur Entwicklung von Targetpanic beitragen. Daher sollte man ein Zuggewicht wählen, mit dem man am Ende einer Trainingseinheit oder eines Wettkampfes genauso schießen kann wie am Anfang.

Technische Lösungen

Ein Klicker
Dabei handelt es sich tatsächlich um ein Gerät, das „klick„ macht. Der Klicker wird am oberen Wurfarm befestigt und eine Schnur an der Sehne angebracht. Nun muss der eigene Auszug genau eingestellt werden, was mit einer Kugelkette fast millimetergenau erreicht wird. Zieht man nun den Bogen, wird die Schnur gespannt und der Klicker aktiviert. Sobald es klickt, kann man schießen.
Das funktioniert jedoch nicht für alle. Klicker sind nicht teuer, sodass ein Versuch nur etwas Zeit kostet.

Taktgeber
Mit einem Gerät, das vor allem Schlagzeuger verwenden, kann man unter Umständen erfolgreich seine Targetpanic bekämpfen. Es geht darum, sich zu zwingen, erst dann zu lösen, wenn es einen spürbaren Reiz gibt. Dieser auslösende Reiz kommt von einem Gerät mit dem Namen Soundbrenner. Es wird so eingestellt, dass man es am Fuß oder Arm ähnlich einer Uhr trägt und nur ein kurzes Vibrieren verspürt. Alternativ kann man auch ein Handy mit einer Metronom-App verwenden.

Klicker
Erreicht man den richtigen Auszug, gibt es einen Klick-Ton.
Taktgeber
Soundbrenner (oben) oder Metronom-App für die Vorgabe eines Taktes

Übungen zur Abhilfe

Umsteigen auf links oder rechts:
Umsteigen auf links oder rechts: Damit kann man das Problem eventuell lösen, ist aber sehr aufwändig.

1) Hände wechseln - Umsteigen auf links (oder rechts)
Dabei wird geraten, von rechts auf links umzulernen (bei Linkshändern andersherum). Das kann unter Umständen tatsächlich funktionieren. Fred Bear und Howard Hill zum Beispiel haben das gemacht, als sie merkten, dass sie durch Targetpanic die Kontrolle verloren. Wenn sie beim Schießen Symptome von Targetpanic bemerkten, wechselten sie zur anderen Hand. Die Kontrolle über den Schuss wurde von der einen auf die andere Gehirnhälfte verlegt. Man sollte versuchen, sowohl rechts als auch links gleich gut zu schießen. Wenn man das kann, ist das Problem gelöst. Für die meisten Leute ist das aber nicht durchführbar, da es zu viel Zeit in Anspruch nimmt.

2) Der leere Dämpfer
Ein leerer Dämpfer, also ein Ziel ohne Spot, hat viele Vorteile, wenn es um die Arbeit an der Schusstechnik geht. Schützen mit Targetpanic empfinden oft, dass es so zu einer Abschwächung der Symptome kommt, da der Reiz des Spots nicht vorhanden ist. Leider löst das die Probleme nicht langfristig. Die meisten Leute stellen fest, dass die Targetpanic wieder auftritt, sobald sie auf ein konkretes Ziel schießen.
3) Ein Bogen mit Visier
Wechselt man auf einen Bogen mit Visier, also einen Olympic-Recurve oder Compound, ändert sich vieles. Die auslösenden Reize sind plötzlich nicht mehr da. Man könnte also eine Zeit lang mit einem solchen Bogen schießen. Wenn die Targetpanic verschwunden ist, kann man wieder zu seinem traditionellen Bogen zurückkehren.
4) Änderung im Schussablauf
Sich mehr auf die Rückenspannung zu fokussieren oder die Bogenhand in Richtung des Ziels zu drücken, kann ebenfalls als Trigger bezeichnet werden. Wenn man unter Targetpanic leidet, wird jede Änderung im Schussablauf höchstwahrscheinlich eine sofortige Reduzierung der Symptome bewirken. Leider ist dieser Erfolg oft nur kurzfristig, da die Symptome in der Regel nach etwa drei Tagen zurückkehren.
5) Gleitender Anker
Bei dieser Übung zieht man einige Zentimeter über den Ankerpunkt hinaus und geht dann zum richtigen Ankerpunkt zurück. Im Prinzip ankert man mit Überziehen.
Man kann auch zuerst einige Zentimeter zu weit ausziehen, dann einige Zentimeter vor den Ankerpunkt zurückgehen und dann zum richtigen Ankerpunkt zurückkehren und lösen.
Damit zeigt man seinem Unterbewusstsein, dass der Ankerpunkt nicht mehr vorhersagbar ist. Möglicherweise muss man anfangs die Sehne mit einem tiefen Haken greifen, bis man mehr Kontrolle hat.
6) Die 8
Dabei zieht man aus, geht ins Ziel und beschreibt mit der Pfeilspitze eine 8, wobei die Kreuzung der Linien der 8 durch das Ziel geht. Dann setzt man ab und entspannt. Diese Übung kann man in unterschiedlicher Weise durchführen:
- Man zieht eine Zeit lang nur auf, macht die 8 und setzt wieder ab, ohne zu schießen.
- Man zieht vor jedem Schuss auf, macht die 8, setzt ab und schießt erst beim zweiten Mal.
- Man zieht auf, macht die 8 und schießt, wenn man wieder im Ziel ist.
Damit vermittelt man dem Unterbewusstsein, dass der Zielpunkt, an dem man anhält, nicht länger vorhersehbar ist.
7) Draufzubewegen
Eine Variation der vorhergehenden Übung ist, dass man sich mit der Pfeilspitze auf das Ziel zubewegt, dann wieder sternförmig weggeht und sich erneut darauf zubewegt. Auch hier gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Man führt die Übung eine Zeit lang, ohne zu schießen, durch.
- Man zieht vor jedem Schuss auf, macht die Übung, setzt ab und schießt beim zweiten Mal.
- Man zieht auf, macht die Übung und schießt, wenn man das dritte Mal wieder im Ziel ist.
- Auch kann man die Übungen „Die 8„ und „Draufzubewegen„ kombinieren.

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