Bogenjagd in Südafrika
Dietmar Vorderegger
Wer sich mit der Bogenjagd beschäftigt, wird um Südafrika nicht herumkommen. Neben den USA dürfte das Land am Cap der Guten Hoffnung wohl das wichtigste Reiseziel für Bogenjäger sein.
Alle Touristen, die das Land bereisen – egal ob als Bogenjäger oder Fotojäger –, bekommen es hautnah immer und überall zu sehen und zu spüren: Die Natur und die Tierwelt sind Südafrikas große Ressource. Egal wo man hinkommt, an den „Big 5“ kommt man nicht vorbei. Aber auch sonst hat die Tierwelt einiges zu bieten. Große Gebiete, in denen alle Antilopen, vom Duiker bis zum Eland, vorkommen, finden sich überall.
Die Jagd ist in der Zwischenzeit in Südafrika eine richtige Industrie geworden. Tausende Jäger und in der Zwischenzeit auch Bogenjäger reisen jedes Jahr in den Süden Afrikas. Dass die Jagd ein großer Devisenbringer ist, haben auch die Regierungen in Südafrika und Namibia bereits gemerkt und förderten neben den Tourismusattraktionen Nummer 1, den Nationalparks, wie dem Krügerpark, auch die Jagd und die Bogenjagd. Und von der Fußball-WM nächstes Jahr verspricht man sich viel Werbung für Südafrika auch Werbung für die Jagd.
Die Bogenjagd wird von der SABA (South African Bowhunters Association) und der ABO (African Bowhunting Organisation) repräsentiert. Diese Dachorganisationen versuchen, gemeinsam mit der Nature Conservation (Behörde für Natutrschutz) die Sache voranzutreiben, aber auch zu reglementieren. Nach Auskunft des für Tourismus zuständigen Ministeriums setzte die Jagdindustrie im Jahr 2007 nicht weniger als 753 Millionen Rand (rd. € 68 Mio.) um.
Damit ist die Jagd für viele Regionen ein wichtiger Arbeitgeber. Sowohl in den staatlichen als auch den privaten Game Reserves (Wildreservaten) gibt es neben den Einnahmen aus Unterkunft und Gastronomie auch eine Reihe von Tätigkeiten, die vor allem der schwarzen Bevölkerung ein Einkommen sichern. Auch für anspruchsvolle Jobs ist die Jagd in der Zwischenzeit interessant geworden. Universitäten und Colleges arbeiten mit den Jagdanbietern zusammen, veranstalten Kurse und bieten Studiengänge, beispielsweise zur Ausbildung zum Wildbiologen und ähnlich hochwertigen Berufen, an. Und nicht zu vergessen ist auch die Zulieferindustrie. Alles, vom Zaun über Fahrzeuge bis hin zu den Unterkünften für die Jäger, wird in der Jagdinstustrie gebraucht.
In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Jagd einen gewaltigen Aufschwung genommen. Fast ganz Südafrika – im Übrigen auch Namibia – ist eingezäunt. Entweder sind es Weidezäune oder rund drei Meter hohe Wildzäune. Alle Tiere, ob Nutz- oder Wildtiere, werden damit im gesamten Land hinter Zäunen gehalten. Das ist bei den großen Nationalparks, die schon mal wie der Krüger-Nationalpark 350 km lang und 60 km breit sein können – er hat damit ein Viertel der Fläche von Österreich -, genauso, wie bei den privaten Farmen. In den letzten Jahren gibt es eine steigende Anzahl von privaten Wildreservaten, in denen die Jagd betrieben werden kann. Solche Jagdfarmen können auch schon mal bis 10.000 ha (100 km2) groß sein. Und der Zaun rundherum hat dann eine Länge von 70 und mehr Kilometer.
In diesen privaten Reservaten gibt es in der Zwischenzeit mehr Wild als in den staatlichen Parks. Jane Carruthers von der Unsiversity of South Africa beschäftigt sich seit Jahren sehr intensiv mit der Jagd. In einem Artikel „Wilding the Farm or farming the wild?“ legt sie ausführlich Daten und Fakten vor. Demnach ist die Jagd seit den 1960er-Jahren stetig gestiegen. Die Zahl der Wildtiere in privaten Reservaten stieg von damals 575.000 auf fast 19 Millionen im Jahr 2007. Gleichzeitig ging die Anzahl der Schafe von 40 auf 28 Millionen zurück. Und auch die Anzahl der Rinder verringerte sich in diesem Zeitraum um vier Millionen auf acht. Diese Zahlen belegen eindrucksvoll, dass sich die Jagdindustrie zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt hat.
Waren die Jagdfarmen bis vor zehn Jahren nur auf Gewehrjäger spezialisiert, bieten in der Zwischenzeit immer mehr Farmer auch die Bogenjagd an. Das kann man auch auf großen Jagdmessen in Europa beobachten: Anbieter aus Südafrika und Namibia werden immmer häufiger dort gesehen. Dabei muss man aber etwas vorsichtig sein. Viele Jagdanbieter sehen in der Bogenjagd nur eine zusätzliche Einnahmequelle.
Das Kowhow fehlt sehr häufg. Interessant sind eigentlich nur reine Bogenjagd-Farmen. „Das hat zwei Vorteile für den Bogenjäger“, sagt Benito van Leeuween, der höchste Ausbildner für Professional Hunter, die auch mit dem Bogen jagen wollen. „Zum einen sind es meist selbst Bogenjäger und wissen, wie die Bogenjagd funktionieren soll. Zum anderen wird das Wild in diesen Gebieten auch nicht so beunruhigt.“ Man kann da ohne weiteres mit dem Auto zwei Meter an einer Antilope vorbeifahren, oder auch 60 Meter an ihnen vorbei gehen. Offensichtlich haben die Tiere einen „Riecher“ für die Schussentfernung eines Bogens. Auch für den Farmer ist die Sache nicht uninteressant. Es werden zwar auf einer reinen Bogenjagd-Farm weniger Tiere geschossen, was natürlich die Einnahmen durch Abschüsse verringert. Auf der anderen Seite werden aber nicht pausenlos die stärksten Trophäenträger herausgeschossen. Das passiert laufend auf den „Gewehr-Farmen“. Dann muss, wenn die Farm nicht allzu groß ist, um teures Geld Wild, vor allem Böcke und Bullen, nachgekauft werden. Auf einer Bogenjagdfarm kann man aber dem Wild immer eine Ecke der Farm zu Regeneration geben. Häufig können diese Farmen die Abschüsse gar nicht erfüllen und müssen Tiere verkaufen. Dabei werden einzelne Tiere oder ganze Herden gefangen und mit Tiertransportern zum neuen Bestimmungsort gebracht. Stellt man es geschickt an, kann so eine reine Bogenjagd-Farm insgesamt mehr Gewinn abwerfen als eine Farm, auf der mit dem Gewehr gejagt wird.
Benito ist derzeit Manager einer sehr großen Jagdfarm in der Nähe von Thabazimbi, im Nord-westen von Südafrika. Er ist gerade dabei, diese rund 4.000 ha große Farm aufzubauen. Da müssen Blinds gebaut, Treestand errichtet und da müssen auch die Arbeiter auf ihre neue Rolle hin ausgebildet werden.
„80 % unserer Jagdgäste sind Amerikaner“, erzählt Benito. Für sie zählt nur eines: Trophäen. Die meisten kommen nicht so oft ins Ausland und da muss dann in kurzer Zeit möglichst viel geschossen werden. Die Europäer sind da etwas anders. Sie kommen häufiger und schießen dann aber auch nicht so viel. Für viele steht auch das Abenteuer – so wie für den Autor dieses Artikels – ganz oben auf der Skala ihrer Wünsche. Und bei den moderaten Preisen, die man hier im Gegensatz zu Jagdreisen über Jagdanbieter bezahlt, ist es auch ein leistbares Abenteuer.
Die Big 5 kann man hier natürlich nicht schießen. Aber vom Perlhuhn bis zum 800 kg schweren Elandbullen ist alles vorhanden. Und wer es teuer haben möchte, der kann auch einen Sable (Rappenantilope) um einige tausend Euro schießen. Prinzipiell ist die Bogenjagd auch auf alle Tiere möglich, aber für die sechs wichtigsten Tierarten braucht man eine Genehmigung. Und für Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe, Leopard (= Big 5) und Nilpferd (= Dangerous 6) gibt es immer weniger Genehmigungen. Zu oft ist es zu schlechten Schüssen gekommen und dann musste mit dem Gewehr „nachgeholfen“ werden. Im Übrigen ist die Jagd auf die oben genannten Sechs ohne Gewehrschützen mit dem geeigneten Kaliber im Hintergrund als Sicherheit gar nicht erlaubt. Da kann Benito Stories erzählen, die sehr oft lebensgefährlich für den Bogenschützen und den Professional Hunter mit dem Gewehr waren.
Jagdsaison: Eigentlich kann man das ganze Jahr jagen. Einige Tierarten, wie das Zebra, können das ganze Jahr trächtig sein, andere haben Brunftzeiten. Aber am erfolgversprechendsten ist die Bogenjagd von April bis Ende September. Da ist der Busch trocken und die Tiere müssen zu den Wasserlöchern. Ein Abschuss der gewünschten Tierart ist dann fast garantiert. Die Pirsch ist zu dieser Jahreszeit – es ist Winter – sehr schwierig. Die Bäume haben die Blätter verloren und man geht zeitweise wie auf Cornflakes.
In der übrigen Zeit ist der Busch grün. Da wäre zwar die Pirsch wesentlich einfacher, die Aussichten aber, erfolgreich zu sein, sind für die meisten sehr gering. Da haben die meisten Bogenjäger mit den Tierarten und ihren Gewohnheiten einfach zu wenig Erfahrung.
Bevor es aber auf die Jagd geht, wird die Ausrüstung und das Können überprüft. Was die meisten Bogenjäger gemeinsam haben ist die Tatsache, dass sie sich meistens überschätzen. Nicht bei allen ist die Ausrüstung in Ordnung. Da muss dann Benito die Sache in die Hand nehmen und den Bogen einstellen. Entspricht das Können nicht den Anforderungen, darf dann eben nur auf z.B. 15 Meter geschossen werden.
Ablauf einer Jagd: Je nach Größe der Farm werden die Jäger am Morgen zu den Jagdplätzen gefahren. Ausgerüstet mit Essen und Trinken für den ganzen Tag – Lesestoff darf natürlich nicht fehlen – verbringen die meisten Bogenjäger den Tag im Blind oder am Treestand. Um zu kontrollieren, wie viel geschossen wird, darf jeder Jäger nur drei Pfeile mit seinem Namen auf den Federn mitnehmen. Fehlt einer, hat man sozusagen etwas geschossen und muss natürlich auch bezahlen. Und wird ein angeschossenes Tier erst nach Abreise des Jägers gefunden, kann man am Pfeil noch den Jäger erkennen und ihm die Rechnung nachschicken.
Hat man ein Stück geschossen, wird üblicherweise ein SMS geschickt und die Helfer holen dann das geschossene Wild. Die meisten Jäger sind – und das bedauert der Autor außerordentlich –beim Aufbrechen und Skinnen nicht mehr dabei. Das erledigen die Farmarbeiter.
Auf der Pirsch: Diese Art der Jagd ist sicher die größte Herausforderung. Zum einen muss man auf rund 20 Meter herankommen und dann muss man auch noch schießen. Benito ist sehr gut auf der Pirsch. Er kennt wie kein anderer das Verhalten der Tiere und wie man sich unbemerkt nähert.
Langsam bewegen wir uns durch den Busch. So jede Sekunde ein Schritt, manchmal weniger. Auf Blätter am Boden muss im Winter besonders geachtet werden. Benito bleibt stehen, auch ich bleibe mitten im Schritt stehen; zwar etwas unbequem, aber was hilft´s. Zwei Kudukühe ziehen langsam etwa 40 Meter vor uns vorbei. Vor uns ein großer Busch, der uns Deckung gibt. Sie kommen näher, verschwinden hinter dem Busch, und als sie wieder auftauchen, sind sie 25 Meter entfernt. Das Herz klopft; jetzt könnte man schießen. Ich verzichte, habe ich doch schon am Vortag einen Kudubullen geschossen. Wir lassen sie ziehen, ohne dass sie uns bemerkt haben.
Weiter geht´s. Nach 30 Minuten stoppt Benito wieder. Ein Duiker, vielleich 30 Meter entfernt. Er steht in einer kleinen Senke, nur der Kopf und der Rücken sind zu sehen. Wenn er äst, sieht man nur mehr den Rücken. Wir schleichen uns, durch einen Busch gedeckt, noch 12 Meter nach vorne. Immer wenn der Kopf unten ist, machen wir einen Schritt. Dann stehe ich auf Schussentfernung. Das Herz pocht, der Atem wird schneller. Ich habe bereits eingenockt und halte den Bogen schussbereit, aufgestützt am Oberschenkel. Der Bock dreht sich und scheint nach links äsend aus der Senke zu gehen. Rund vier Meter wären es. Er käme dann hinter einem Baum hervor und stünde ideal. Ich warte. Zentimeterweise bewegt er sich vorwärts. Noch zwei Meter, dann ... Ja dann war daneben leider noch ein Weibchen, das ich nicht gesehen habe; Aus! Trotzdem: Das war aufregend; spannende vier Stunden und eine tolle Pirsch! Nicht nur der Abschuss zählt.
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