Wie finde ich meinen Ankerpunkt?
Die Begriffe ankern, Anker und Ankerpunkt dürften vielen geläufig sein. Was aber der Unterschied zwischen beiden ist, scheint nicht mehr jedem klar zu sein. Auch dass es mehrere Ankerpunkte geben kann, ist höchstwahrscheinlich auch vielen bekannt. Aber welche Vor- und Nachteile haben sie? Also wollen wir etwas Licht ins Dunkel bringen.
Beginnen wir bei den Begriffen Anker und Ankerpunkt. Die Begriffe kommen ja bekanntlich aus der Seefahrt. Der Anker ist jenes schwere Teil, das ein Schiff an einer bestimmten Position hält. Mit ankern ist gemeint, dass man das Ding in Position bringt. Der Ankerpunkt ist dagegen genau die Stelle, an der er am Meeresboden sich festgekrallt hat. Und genau was sie hier bedeuten, gilt auch für das Bogenschießen. Ankern bedeutet also, die Sehne vor dem Abschuss in eine bestimmte Position zu bringen. Der Ankerpunkt ist die Position im oder am Gesicht, wo das Ankern endet. Wo diese Stelle liegt, ist damit noch nicht gesagt. Es gibt nämlich verschiedene Ankerpositionen, sprich Ankerpunkte.
Wozu brauche ich nun einen Ankerpunkt? Das ist relativ einfach erklärt. Es gewährleistet immer einen gleich langen Auszug. Aber aufpassen: Dass man den Ankerpunkt im Gesicht auch erreicht, heißt noch lange nicht, dass man immer einen gleich langen Auszug hat. Dieser hängt nämlich auch noch von anderen Faktoren ab.
Ein weiterer Punkt ist, dass man mit einem guten Ankerpunkt die Schüsse wesentlich leichter in gleicher Weise wiederholen kann. Und das ist beim Bogenschießen ja das wichtigste: Die Wiederholbarkeit.
Schon bei kleinsten Abweichungen im Auszug kann es große Abweichungen am Ziel geben. Und da sind andere Fehler, wie ein falscher Abschusswinkel oder ein Lösefehler, noch gar nicht berücksichtigt. Je weiter das Ziel entfernt ist, desto schwerer wirken sich die Fehler aus. Oft kann man auch mit einem Analyseprogramm, wie beispielsweise Kinovea, absolut keine Abweichungen sehen und trotzdem fehlt auf 50 Meter mehr als ein halber Meter in der Höhe.
Es gibt mehrere Möglichkeiten zu ankern, also mehrere Positionen im Gesicht. Abgesehen davon, dass der Ankerpunkt immer an der gleichen Position sein soll, stellt sich auch noch die Frage: Wo soll er nun sein? Er muss zwei Dinge garantieren. Die Zughand muss zum einen fest und stabil im oder am Gesicht stehen. Je mehr Kontakt man zum Gesicht hat, desto besser. Hat man nur den Mittel- oder Zeigefinger im Mundwinkel, die Hand selbst ist aber nicht an der Wange, ist das nicht fest und stabil. Auch der Mundwinkel ist weich und kann sich bewegen, wenn man mit dem Finger dort hinkommt.
Eine zweite Bedingung ist dabei auch noch wichtig. Die Sehne sollte vor dem Auge sein. Damit kann man seitliche Abweichungen schon von vornherein zu einem gewissen Grad ausschließen.
Dazu kommt auch noch, dass sich das Ganze natürlich und komfortabel anfühlen muss. Wenn ich mich verrenken muss, um einen bestimmten Ankerpunkt zu erreichen, ist das nicht unbedingt hilfreich.
Ein weiterer Punkt muss sein, dass man den Ankerpunkt sehr leicht erreichen kann. Gerade Schützen, die umlernen, haben zu Beginn große Probleme zügig an den Punkt zu kommen. Oft geht das Gesicht zur Zughand und nicht umgekehrt. Auch sieht man, dass der Ankerpunkt lange gesucht wird. Es braucht etwas Übung, bis man in einem Zug in die richtige Position kommt. Es muss eine Bewegung sein, die man unterbewusst durchführt, also nicht mehr nachdenken muss: Wie, wann, wo?
Kommen wir wieder auf die oben gestellte Frage zurück: Wo kann der Ankerpunkt sein? Alle bisher genannte Aspekte sollten dabei aber gewährleistet sein. Um das zu erreichen sollte man Punkte an seinem Kopf finden, die weniger beweglich als der Mundwinkel sind. Das sind vor allem die Knochen. Hat man mehrere solche Punkte, die im Übrigen Referenzpunkte genannt werden, ist das Ankern wesentlich konstanter und wesentlich einfacher.
Prinzipiell kann gesagt werden, dass ein kleiner Winkel zwischen Auge und Pfeil von Vorteil ist. Je nachdem, ob man mit Untergriff oder mediterran schießt, ändert sich auch der Winkel. Schießt man mit drei Fingern unter dem Pfeil, was wettkampfmäßig nur Recurveschützen erlaubt ist, so wandert der Pfeil bei jeder verwendeten Variante um eine Fingerdicke nach oben; beim einen mehr, beim anderen weniger. Würstelfinger haben da einen Vorteil.
Ein Punkt muss auch noch erwähnt werden. Welchen Einfluss hat der Ankerpunkt auf die Zieltechnik. Verwendet jemand beispielsweise die Pfeilspitze zum Zielen (Point of Aim), ist es sicher besser, wenn man möglichst nahe beim Auge ankert. Damit ist der Bereich, wo sich die Spitze über, auf oder unter dem eigentlichen Ziel befindet, wesentlich kleiner.
Bei Instinktivschützen ist es weniger wichtig, wenn auch nicht komplett bedeutungslos. Auch hier kann von Vorteil sein, wenn man nicht mit dem Zeigefinger, sondern mit dem Mittelfinger im Mundwinkel ankert.
Schauen wir uns nun einige Varianten von Ankerpunkten an und versuchen aufgrund von einigen Kriterien einzuordnen, welche Vor- und Nachteile die einzelnen haben. Natürlich passt nicht jede Variante zu jedem Schützen. Aber wenn man die unten stehenden Kriterien betrachtet, könnte sich eventuell eine Variante als die Ideale herauskristallisieren.
Kriterien
Abstand Pfeil-Auge
Fest und stabil
Sehne vor dem Auge
Komfortabel
Leicht zu erreichen
Passend zu Zieltechnik
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