Der dynamische Spine

Der Begriff Spine wird verwendet, um die Steifheit eines Pfeils zu beschreiben. Ein Pfeil mit einem schwachen Spine biegt sich leichter als ein Pfeil mit einem steiferen. Für die Genauigkeit und Konsistenz ist die richtige Steifigkeit extrem wichtig. Nun gibt es zwei Spines. Einmal den statischen, der nur die Durchbiegung eines Schaftes im Ruhezustand angibt, wenn man zwei Englische Pfund anhängt. Zum anderen ist aber von entscheidender Bedeutung, wie sich der Pfeil beim Abschuss verhält. Und diese Durchbiegung nennt man dynamischen Spine.

Bei einem traditionellen Bogen, dessen Bogenfenster nicht zur Mitte geschnitten ist, muss sich der Pfeil so biegen, dass er sich quasi um den Bogen windet. Ist die Durchbiegung zu schwach, also der Pfeil zu steif, ist das nicht der Fall. Auch wenn er sich zu stark biegt, also der Pfeil zu weich ist, passt das auch nicht. Beim Abschuss bekommt der Pfeil von der Sehne Druck. Dadurch biegt er sich mehr oder weniger durch. Und diese Durchbiegung kann je nach Schütze für ein und denselben Pfeil, geschossen vom gleichen Bogen, unterschiedlich sein. Das beschreibt den dynamischen Spine. Wichtig ist also nicht, wie sich der Pfeil im Ruhezustand biegen lässt, sondern wie er sich beim Abschuss verhält. Je weiter der Pfeil auf der Pfeilauflage weg von der Mitte liegt, desto wichtiger ist der dynamische Spine und desto weniger mögliche Pfeile gibt es.

Bei einem Compoundbogen liegt der Pfeil genau in der Mitte und die Sehne bewegt sich beim Abschuss gerade nach vorne. Deshalb hat man hier eine wesentlich größere Auswahl an passenden Pfeilen. Aber auch hier gilt: Der dynamische Spine muss passen.

Wovon hängt der dynamische Spine ab?

Der dynamische Spine ist, wie schon gesagt, die Durchbiegung beim Abschuss. Dabei beeinflusst dies viele verschiedene Faktoren. Indem man das Gewicht von Pfeilkomponenten oder die Länge eines Pfeils anpasst, kann man den dynamischen Spine ändern. Man kann diese Faktoren so optimieren, bis die Stabilisierung des Pfeils im Flug optimal ist.

Spitzengewicht
Ein höheres Spitzengewicht macht den Pfeil weicher, eine schwerere Spitze steifer. Das kann man sich so vorstellen: Man nimmt beispielsweise eine Autoantenne und schiebt damit eine Bowlingkugel (=Spitze) an. Die Antenne (=Pfeil) wird sich stark biegen. Das hohe „Spitzengewicht„ der Bowlingkugel sorgt also dafür, dass die Antenne weich wird. Nun schiebt man damit einen Fußball an. Dieser ist natürlich leichter und die Antenne wird sich nicht so stark biegen, ist also steifer.

Nockengewicht
Erhöht man das Gewicht am hinteren Ende des Pfeils, macht man den Pfeil steifer, während der Pfeil weicher wird, wenn man das Gewicht reduziert.

Pfeillänge
Ein längerer Pfeil wird immer weicher sein als ein Pfeil mit dem selben Durchmesser und Wandstärke, der kürzer ist. Auch hier wieder ein Vergleich. Man kann einen neuen Bleistift mit z.B. 18 Zentimeter bis zu einem gewissen Grad biegen. Versucht man das aber mit einem nur 7 Zentimeter langen, wird es höchstwahrscheinlich nicht mehr funktionieren.

Zuggewicht und Auszug
Erhöht man das Zuggewicht des Bogens, braucht man einen steiferen Pfeil und umgekehrt einen steiferen Pfeilschaft. Das Zuggewicht ändert sich natürlich auch, wenn man einmal mehr, das andere Mal mehr zieht. Es gibt traditionelle Schützen, die hier Unterschiede von bis zu 4 Zoll haben. Dann kann man feststellen, dass der Pfeil einmal sauber fliegt, das andere Mal aber wedelt.

Auch wenn zwei Schützen denselben Bogen verwenden – was bei Einsteigern hin und wieder vorkommen kann – und einer hat einen langen, der/die andere einen kurzen Auszug – was wiederum bei Paaren vorkommen kann – dann ist der dynamische Spine bei jedem Schützen anders.

Auswirkungen eines falschen dynamischen Spins

Biegt sich der Pfeil zu wenig, ist er also beim Abschuss zu steif, müsste es logischerweise eine Abweichung in der Trefferlage geben. Bei einem zu steifen Pfeil müsste der Pfeil beim Rechtshänder weiter links treffen. Große Federn würden hier sicher noch etwas korrigieren. Und wenn sich der Pfeil zu stark biegt, wird der Pfeil eher weiter rechts treffen.

Das können die meisten Schützen aufgrund ihrer Ungenauigkeit höchstwahrscheinlich selbst gar nicht feststellen. Dazu bräuchte man eine Schussmaschine, um den genauen Wert der Abweichung eruieren zu können. Auch wird sich das auf kurze Distanzen weniger auswirken als auf lange.

Vorauszuschicken ist, dass wir unsere Tests nicht mit allen möglichen Kombinationen und Auswertungen gemacht haben. Wir wollten schlicht und einfach nur die Tendenz aufzeigen. Die Abweichungen, die sich ergeben haben, sind nur für unseren Testbogen und die Pfeile relevant. Wie groß die Auswirkungen beim eigenen Bogen sind, müsste jeder für sich austesten.

Wir haben Tests mit einer Schussmaschine durchgeführt. Damit ist gewährleistet, dass die Pfeile immer exakt gleich geschossen werden. Geschossen wurden drei Pfeile mit jeweils einem Auszug von 26, 28 und 30 Zoll mit einem 45 Pfund starken Bogen. Dabei sind immerhin 4 Zoll (10,16 cm) Unterschied vom kürzesten bis zum längsten Auszug. Dazu wurden die Pfeile so ausgesucht, dass ein Blankschafttest ergab, dass mit 28 Zoll Auszug der Pfeil mittig traf.

Bei kurzen Entfernungen waren zwar Abweichungen in der Höhe bemerkbar, die seitlichen Abweichungen waren aber relativ gering. Dazu kam noch, dass die Pfeile nicht gleich in der Scheibe steckten.

Bei weiteren Entfernungen wurden die Höhenunterschiede logischerweise größer. Auf 40 Meter kann das, je nach Bogen, schon 60 bis 100 Zentimeter betragen. Aber auch die seitliche Abweichung wurde bei den beiden Pfeilen mit dem falschen dynamischen Spine größer.

Wer also immer wieder einen unterschiedlichen Auszug hat, darf sich nicht wundern, wenn auf 50 Meter der Pfeil nicht nur zu tief, sondern auch links vorbeigeht. Der Auszug verkürzt sich vor allem nach einiger Zeit am Parcours oder bei einem Turnier, wenn man mental und auch körperlich müde wird. Wenn man das aber weiß, sollte man sich das immer vor Augen halten und bewusst an den richtigen Auszug denken.

Blankschafttest
Schießt man die Pfeile ohne Federn, kann man sofort feststellen, wie sich die Trefferlage bei den nicht passenden Pfeilen auswirkt. Die Höhenlage passt in der Regel. Der Pfeil mit zu kurzem Auszug, der also zu steif ist, trifft deutlich links der Mitte. Der Pfeil mit zu langem Auszug trifft dagegen rechts, weil er dadurch zu weich geworden ist.

Bild 1 - Kurze Entfernungen:
Bei kurzen Entfernungen sind die Abweichungen in der Höhe und zur Seite gering.
Bild 2 - Blankschafttest:
Schießt man mit unbefiederten Pfeilen, sind die Abweichungen wesentlich größer.
Bild 3 - Weite Entfernungen:
Je weiter die Entfernung, desto größer werden die Unterschiede in der Höhe der Trefferlage. Auch sind die seitlichen Abweichungen bei einem falschen dynamischen Spine größer.

Die Moral von der Geschicht

Federn stabilisieren den Pfeilflug deutlich. Dies kann man an den Schussbildern sehen. Die grünen Linien zeigen die Treffer mit den befiederten Pfeilen, die rote Linie zeigt die Treffer der Blankschäfte.

Schießt man beispielsweise im Regen und die Federn werden nass, hat man fast einen Blankschaft. Dadurch wird das Trefferbild dann stark verändert. Die Pfeile zeigen unter Umständen ein ähnliches Trefferbild wie in Bild 2. Unterschiedliche Auszüge wirken sich seitlich sehr stark aus.

Wer unterschiedliche Auszüge hat, wird auch, vor allem auf weitere Entfernungen, Abweichungen zur Seite haben (Bild 1 und 3). Man muss sich also, auch wenn man müde wird, auf den Auszug konzentrieren.

Wer nur nach einer Tabelle seine Pfeile aussucht, wird in der Regel nicht die richtigen auf Anhieb finden. Dazu muss man unbedingt einen Blankschafttest machen. Wie das genau funktioniert, wurde an anderer Stelle in unserem Magazin dargestellt. Wer also präzise treffen will, braucht gutes Material und eine gute Schusstechnik.

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