Leistungsbestimmende Faktoren im Bogensport

Warum ist der eine besser als der andere? Und warum kann nicht jeder Weltmeister werden, auch wenn der Wille und der nötige Trainingsaufwand vorhanden wären. Der Grund liegt darin, dass nicht alle Menschen die gleichen physischen und psychischen Voraussetzungen mitbringen.

Dieser Artikel richtet sich hauptsächlich an Schützen, die an internationalen oder nationalen Meisterschaften teilnehmen wollen. Das heißt aber nicht, dass es für Hobbyschützen nicht auch interessant wäre. Jeder Weltmeister hat nämlich als solcher begonnen.

Wie in jeder Sportart ist nicht nur die Technik wichtig für den Erfolg, sondern auch eine Fülle von anderen Dingen spielen hier noch mit. Wer kennt nicht die Abstürze von Spitzen-Fußballmannschaften. Der FC Bayern verliert überraschend 5:1 gegen einen wesentlich schwächer eingeschätzten Gegner. Haben die Bayern es verlernt, oder hat etwas anderes hier mitgespielt? Und ähnlich ist es auch im Bogensport.
Der Bundestrainer im deutschen Schützenbund, Oliver Haidn, beschäftigt sich in seinem Buch „Bogenschießen„ sehr ausführlich mit allen Aspekten des Bogenschießens. Der Fokus liegt allerdings auf dem olympischen Bogensport. Trotzdem sind viele dieser Überlegungen auch für traditionelle Schützen interessant, vor allem, wenn man das Bogenschießen als Leistungssport sieht.

Ausgewählte Faktoren der Leistungsfähigkeit:
Oliver Haidn et al., Bogenschießen, S. 36

Physische Faktoren

Konstitutionelle Eigenschaften:
Konstitutionelle Eigenschaften: Ein langer Unterarm und ein kurzer Oberarm sind sehr gute Voraussetzungen.

Konstitutionelle Eigenschaften
Der Körperbau selbst spielt bei Bogenschützen eher eine untergeordnete Rolle. Sowohl der Sportliche als auch der etwas Korpulentere haben die gleichen Chancen, Spitzenleistungen zu erreichen. Schaut man sich Videos auf YouTube von Meisterschaften an, wird man das auch feststellen können.

Wichtiger hingegen sind andere Details im Körperbau. Ein Aspekt sind die Längenverhältnisse der Arme. Ein langer Unterarm und ein kurzer Oberarm sind dabei am besten. Damit hat man ein besseres Winkelverhältnis für den Zugarm. Das hat zu Folge, dass man leichter in die Rückenspannung kommt und damit besser lösen kann.

Motorische Fähigkeiten

Diese Fähigkeiten hängen im Wesentlichen von der Kondition ab und diese ist durch vier Faktoren definiert.

Ausdauer
Auch wenn ein Bogenschütze nicht die Ausdauer eines Marathonläufers braucht, so ist eine Grundausdauer dennoch notwendig. Das bedeutet, dass man die Ausdauer haben muss, konstant über längere Zeit den Bogen gleich zu ziehen. Auch muss man in der Lage sein, den Druckpunkt am Bogen immer gleich zu halten. Da beim Bogenschießen die Feinmotorik besonders wichtig ist, sollte man diese auch über einen längeren Zeitraum reproduzieren können. Wenn das nicht mehr der Fall ist, merkt man es daran, dass der Streukreis immer größer wird. Und noch etwas ist wichtig. Will man bei Meisterschaften schießen, kann es vorkommen, dass das Turnier über sechs und mehr Stunden geht. Wer nicht die Ausdauer hat, über diesen Zeitraum auch wirklich fit zu sein, wird gröbere Probleme haben.
Kraft
Logischerweise braucht man auch die nötige Kraft, um einen Schuss optimal ausführen zu können. Das zeigt sich in der Konstanz der Bewegung. Auch ist das Zittern des Bogenarms geringer. Lässt nämlich die Kraft nach, kommen die meisten nicht mehr in die Rückenspannung und bei längerem Halten fängt der Bogenarm zu zittern an.
Schnelligkeit
Hier geht es vor allem um die Fähigkeit, die Finger möglichst schnell zu entspannen und damit zu öffnen.
Beweglichkeit
Neben der allgemeinen Beweglichkeit muss auch die Beweglichkeit in der Schulter, im Ellbogen und Handgelenk des Bogenarms gegeben sein. Notwendig ist auch, dass man beim Ankern die Zughand richtig an den Ankerpunkt setzt, was ebenfalls eine Beweglichkeit der Zughand notwendig macht.

Koordinative Fähigkeiten

Koordinative Fähigkeiten:
Koordinative Fähigkeiten: Die Muskeln müssen in der Lage sein, die Bewegungen auch richtig auszuführen. Beispiel Rückenspannung.

Das exakte Bogenschießen ist „Millimeterarbeit". Im Schussablauf müssen Zug und Druck möglichst immer gleich sein. Das bedeutet, dass die Muskeln diese Arbeit auch leisten können müssen. Der Ablauf von Vollauszug – ins Ziel gehen – Rückenspannung aufbauen – Lösen muss immer gleich sein. Dazu ist auf die richtige Körperhaltung zu achten. Ein Selfbow- oder Langbogenschütze schießt unter Umständen in gebeugter Haltung, ein Recurveschütze dagegen aufrecht. Vor allem im Gelände muss besonderes Augenmerk auf das T gelegt werden. Wer hier Probleme hat, wird immer zu wenig Auszug haben. Damit wird es dann auch schwierig, Fehler bei Fehlschüssen zu erkennen. Auch ist wichtig, dass der Bogen immer in der richtigen Stellung ist, entweder geneigt oder gerade.

Psychische Faktoren

Beispiel externe psychische Faktoren:
Beispiel externe psychische Faktoren: Zuschauer während eines Turniers

Konzentrationsschwankungen, Enttäuschung über Fehler oder störende Gedanken sind für eine gute Leistung sehr oft hinderlich. Die Leistungsfähigkeit hängt nicht nur von der Schuss- und Zieltechnik ab, sondern auch davon, sich vor allem in einem Wettkampf auf solche Gegebenheiten richtig einzustellen. Psychische Belastungen setzen sich im Allgemeinen aus mehreren Faktoren zusammen. Diese lassen sich in interne und externe Faktoren unterteilen.

Dabei sind erstere Eigenschaften, wie Entschlossenheit oder Selbstvertrauen. Man kann sie auch als positive oder negative Grundeinstellung bezeichnen. Wer so wenig Selbstvertrauen hat, dass bei jedem Ziel der Gedanke aufkommt „hoffentlich treffe ich„ wird damit wenig erfolgreich sein. Externe Faktoren sind beispielsweise Störungen beim Schießen, schlechte Wetterverhältnisse, unangenehme Gruppenmitglieder usw. Wer sich dadurch beeinflussen lässt, wird eher schlechte Leistungen bringen. Um auf solche Situationen vorbereitet zu sein, sollte man diese suchen und nicht vermeiden. Wen beim Schießen die Gespräche im Hintergrund stören, sollte nicht immer mit einem „bschttt„ reagieren, sondern besser beim Trainieren einen Kollegen bitten, laut zu reden. Es ist dabei wichtig herauszufinden, was einen eigentlich stören kann und dann genau bei solchen Situationen zu schießen; und das relativ häufig.

Kognitive Fähigkeiten

Ein Bogenschütze muss in der Lage sein, die komplexen Zusammenhänge eines Schusses zu verstehen. Nur wer in der Theorie auch wirklich weiß, wie es funktioniert, kann das in die notwendige Bewegung umsetzen. Wer beispielsweise nicht weiß, was Rückenspannung ist und wie sie umgesetzt werden kann, wird sie auch nie richtig ausführen. Das braucht eine sogenannte sensomotorische Intelligenz, durch die man nicht nur begreift, wie es geht, sondern das auch umsetzen kann.

Dazu gehört auch, dass man in der Lage ist, sich taktisch richtig zu verhalten. Wer nicht weiß, dass ein Bergauf- oder Bergabschuss eine flachere Flugbahn hat, wird öfter drüber schießen. Und wer aufgrund des Treffers eines Kollegen sich keinen Reim darauf machen kann, sprich Informationen über die Entfernung daraus ableiten kann, wird ebenfalls öfter nicht treffen. Es ist also notwendig, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Man muss lernen, welche Schuss-Situationen oder welche Entfernungen sind für mich ein Problem und dafür muss man Lösungen finden.

Beispiel kognitive Fähigkeiten:
Sich auf Schuss-Situationen einstellen zu können. Hier: Bergaufschuss
Beispiel kognitive Fähigkeiten:
Sich von Kollegen etwas abschauen können. Hier: Informationen aus einem Treffer des Kollegen über die Entfernung ableiten können.

Soziale Faktoren

Dazu gehören berufliche und familiäre Situationen genauso wie das Verhältnis zu den anderen Schützen. Auch solche Umstände können einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit haben. Hat beispielsweise ein Spitzenschütze vor einer EM oder WM berufliche oder familiäre Probleme, wird sich das sicher auf die Leistung auswirken. Allerdings kann das Gegenteil leistungsfördernd sein. Wer im Leben „im Flow„ ist, bei dem es also richtig gut läuft, wird diese Stimmung auch in einen Wettkampf mitnehmen können.

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